Führungsmüdigkeit – eine Bürokrankheit?
31. März 2014 von Jens Schneider - Dr. Wagner & Partner
Nein, es ist keine ansteckende, leicht übertragbare Bürokrankheit oder eine von den Jahreszeiten abhängige Erscheinung. Vielmehr beschreibt es eine Symptomatik der Arbeits- und Lebensweise einer gesamten Generation, der Generation Y: Spaß und Wohlbefinden im Büro sind wichtig, führen sollen andere.
Jüngeren Nachwuchskräften ist die Lust auf Führungsaufgaben vergangen. Seit Jahren gibt es eine zunehmende Führungsmüdigkeit unter deutschen Managern“, so Jürgen van Zwoll, Partner bei der Personalberatung Odgers Berndtson. Vor allem Manager aus der Generation Y (35 Jahre und jünger), sowie weibliche Führungskräfte hätten heute weniger Interesse daran, Führungsverantwortung zu übernehmen, als das früher der Fall gewesen sei.
Van Zwolls Beratung, die auf die Suche nach Führungskräften spezialisiert ist, hat zum wiederholten Mal rund 1.200 von ihnen in ganz Deutschland nach ihren Karrieremotiven, ihrer Einsatzbereitschaft und ihren Entscheidungsperspektiven befragt. „Die Ergebnisse sind alarmierend und sollten die Unternehmen dazu veranlassen, sich individueller mit ihren Führungskräften zu beschäftigen“, so van Zwoll.
Die Gründe für das abnehmende Interesse an Chefpositionen sind vielschichtig. „Vor 15 Jahren haben die Kandidaten zwischen 30 und 50 viel stärker in Hierarchieebenen gedacht und mehr auf Titel und mit der Position verbundene Privilegien geachtet (s. auch Artikel Generation Y – wie die nächste Generation arbeiten will). Heute spiele das keine so große Rolle mehr. „Selbstverwirklichung bei der beruflichen Tätigkeit ist Führungskräften in Deutschland zunehmend wichtiger als ihre Führungsaufgabe“, so der Personalexperte. Den klassischen Alleinverdiener gebe es heute immer weniger. Häufig würden in einer Beziehung beide Partner ein Einkommen erzielen und das relativiere den Druck, mehr zu verdienen und die die Bereitschaft, nur um der Karriere willen den Wohnort zu wechseln. Allerdings seien auch die jüngeren Berufstätigen nicht bereit, ein erreichtes Gehaltsniveau wieder aufzugeben.
„Menschen auf der Fachebene, die für Führungspositionen ausgesehen werden, stellen sich häufiger Sinnfragen, wie: Will ich das überhaupt? Bin ich das?“, bestätigt Thomas Wüllner, Geschäftsführer von der Karriereberatung P4 Career Consultants. Allerdings gebe es heute neben den Führungsjobs in vielen Firmenhierarchien auch attraktive und gut vergütete Entwicklungsmöglichkeiten auf Fach- oder Projektebene. Die Entscheidung gegen eine Führungsposition falle deshalb auch nicht so schwer. Die Firmen haben realisiert, dass sie etwas bieten müssen, so Wüllner.
„Die große Mehrheit der Manager befürwortet ein verstärktes Angebot von Fachkarrieren als Alternative zu klassischen Führungslaufbahnen. Voraussetzung dabei ist, dass Experten auf der einen und Manager mit Führungsverantwortung auf der anderen Seite dieselbe Wertschätzung im Unternehmen erfahren“, bestätigt van Zwoll.
Parallel dazu haben sich die Bedürfnisse und Motive der Manager verändert. Die Vertreter der Generation Y wollen laut der Umfrage abwechslungsreiche Aufgaben und die Möglichkeit, sich individuell weiterzuentwickeln. Statt Freude am Führen sind ihnen flexible Arbeitszeiten und die Balance zwischen Beruf und Privatleben (s. Artikel Generation Y: Wir setzen Mobilität voraus) zunehmend wichtiger.
Neben dieser Tatsache sei erwähnt, dass es allerdings auch nicht mehr so viele Führungspositionen gibt, da Hierarchieebenen weggefallen und Firmen organisatorisch anders aufgestellt sind bzw. ihre Organisationsstrukturen überarbeiten.
Das Verhaltungsmuster sieht bei Spitzenpositionen anders aus. „Wenn es um Vorstands- und Geschäftsführerposten geht, ist die damit verbundene Machtfülle noch immer ein großes Lockmittel und beim Wort Vorstand kriegen alle leuchtende Augen“, so Wüllner.
VALUE FOR WORKPLACES: Unternehmen sollten Ihre Mitarbeiter individuell fördern, Identität und Werte erzeugen. Dies ist die Grundlage für eine langfristige Mitarbeiterbindung und die Bereitschaft des Einzelnen den Unternehmenserfolg mitzuverantworten.
In einer modernen Arbeitswelt gelingt die Kombination zwischen Team- und Führungsarbeit leichter, tradierte Hierarchiestrukturen sind da eher hinderlich und wirken negativ auf die persönliche Motivation.
Quelle / Auszüge: die Welt aktuell, Ausgabe vom 27. März 2014