Was wäre wenn – wir nur Stehtische im Büro hätten?
18. Dezember 2011 von Dr. Roman Wagner - Dr. Wagner & Partner
Dieser Blog möchte nicht nur Trends und Projekte erläutern, sondern vor allem auch Denkanstöße liefern. Eine gute Möglichkeit sind „Was wäre wenn“-Szenarien, mit deren Hilfe sich kleinere oder größere Denkanstöße geben lassen. Heute, zu Beginn dieser Reihe, stellen wir die Frage: Was wäre wenn – wir nur Stehtische im Büro hätten?
Für die meisten Menschen im Büro ist der eigene Schreibtisch heilig. Daran wird nicht nur gearbeitet, sondern es finden Besprechungen statt und in der Pause wird dort Zeitung gelesen – alles im sitzen. Wäre dieser Tisch ein Stehtisch, sähe der Tag vermutlich ganz anders aus.
Rein wirtschaftlich betrachtet benötigt man mit einem Stehtisch weniger Platz im Büro. Die Bewegungsfläche für den Drehstuhl wäre wohl übertrieben groß für eine stehende Person. Die Belegungkapazität ließe sich mit Stehtischen vermutlich um ein Viertel steigern. Ähnliche Ansätze muss Ryanair vor einigen Jahren verfolgt haben, als sie laut über Stehplätze im Flugzeug nachgedacht haben. Aber wäre eine dichtere Belegung wirklich von Vorteil? Oder sind es nicht ganz andere Aspekte, die die Arbeit im Stehen wirtschaftlich machen?!
Ich behaupte, dass die Arbeit im Stehen viel flüssiger von der Hand geht und die Stimme beim telefonieren eine überzeugendere ist. Vor allem aber wird der Bewegungsapparat deutlich weniger beansprucht, als durch permanentes Sitzen. So klagen heute etwa ¾ der Bevölkerung über Rückenbeschwerden, ein Großteil davon aufgrund der monotonen Haltung im Büro. An Bildschirmarbeitsplätzen wird heute noch immer 80 % der täglichen Arbeitszeit gesessen. Sitzen beansprucht die Wirbelsäule und die Rückenmuskulatur stärker als Stehen oder Gehen. So ist beim Stehen die Bandscheibe der Lendenwirbelsäule einem Druck von 100% ausgesetzt, bei dem geraden Sitzen steigert sich das auf 140%, beim Sitzen in vorgebeugter Haltung sogar auf 190%. Der Schaden für die Unternehmen und unser Gesundheitssystem sind immens: Durch Krankschreibungen wegen Rückenschmerzen gehen laut der größten „Rücken-Studie“ der Lübecker Universität 600.000 Arbeitsjahre der Erwerbstätigen verloren. Das bedeutet: Jeder gesetzlich Krankenversicherte lässt sich aufgrund von Rückenproblemen durchschnittlich 3 Tage im Jahr krankschreiben. Die med. Kosten belaufen sich auf ca. 20 Mrd.€ pro Jahr!
Darüber hinaus lassen sich Besprechungen mit Kollegen deutlich effizienter führen. Viele Arbeitsbesprechungen sind zu lang und wenig produktiv. Eine radikal einfache Methode hilft, Meetings kurz und produktiv zu machen: die Stehkonferenz oder Neudeutsch: Standup Meeting.
Wer steht ist wacher und weniger abgelenkt. Bei guter Vorbereitung kann eine Stehkonferenz deutlich kürzer sein, als ein Meeting im Sitzen. Das Stehen fördert die informelle Atmosphäre, was Basis eines intensiven Gedankenaustausches ist. Da den Teilnehmern das Stehen am Tisch gewöhnlich nach einer halben Stunde unbequem wird, kann sehr fokussiert diskutiert und gearbeitet werden. Verhaltensforscher der University of Missouri haben eine Studie durchgeführt, die diese These tatsächlich belegt. Sie ließen insgesamt 111 Testgruppen Besprechungen im Sitzen und Stehen durchführen. Das Ergebnis: Finden Besprechungen im Sitzen statt, dauern sie um gut ein Drittel länger als Besprechungen ohne Stühle – ohne dabei bessere Ergebnisse zu erzielen. Ganz im Gegenteil: Die stehenden Teilnehmer waren mit der Effizienz und den Ergebnissen ihrer Treffen weitaus zufriedener.
Sie sehen, im Stehen zu arbeiten hat viele Vorteile. Nehmen Sie sich doch für das neue Jahr vor, ein wenig mehr im Stehen zu erledigen: Die Kollegen auf einen Kaffee am Bistrotisch treffen, die Zeitung am Sideboard lesen, zum Telefonieren aufstehen und aus dem Fenster schauen. Eigentlich ganz einfach…