Mangelware „Markenimmobilie“
3. Januar 2013 von Dr. Roman Wagner - Dr. Wagner & Partner
Starke Marken sind seit jeher wertvoll für Unternehmen – mit Marken verknüpfen Verbraucher etwas Unverwechselbares. Das goldene „M“ oder der „Stern“ sind überall auf der Welt identifizierbar und gut bekannt: Symbole, im besten Fall mit positiven Emotionen besetzt. Starke Marken wie McDonalds (Nr. 6 mit 33 Mrd. $ Markenwert) oder Mercedes-Benz (Nr. 12 mit 25 Mrd $ Markenwert) werden stärker nachgefragt als herkömmliche Produkte und können damit höhere Preise durchsetzen.
Laut einer Studie der International Real Estate Business School (IREBS) gilt dieser Zusammenhang auch für Immobilien. Martin Halder, Vorstand der Meilenwerk AG, zitiert die Ergebnisse der Studie in ImmobilienWirtschaft 12-01 2013, S. 48: „Der Untersuchung zufolge erzielen Büroimmobilien in Deutschland, die in der Öffentlichkeit als Marke wahrgenommen werden, deutlich mehr Rendite. Die Mieten steigen um durchschnittlich 7,5 Prozent, die Verkaufswerte liegen sogar bis zu 15 Prozent über denen einer herkömmlichen Immobilie.“
Aber machen ein Gebäude von einem renommierten Architekten, ein schicker Name und eine Hochglanzbroschüre auch gleich eine Marke?
Ich bleibe skeptisch, dass ein prominenter Name allein reicht, um einem Gebäude ein entsprechendes Profil zu verleihen. Vielmehr drängt sich die Frage auf, ob dieser Stararchitekt/Designer das Profil nicht viel stärker prägt, als das Gebäude selbst und somit lediglich seiner eigenen Marke nützt.
Zudem sind zu Beginn einer Projektentwicklung die Nutzer nicht immer alle bekannt. Es hat also, wenn überhaupt, nur eine sehr spekulative Nutzergruppenanalyse stattgefunden. Die spezifischen Anforderungen der späteren Nutzer sind kaum alle mit zu berücksichtigen. Darüber hinaus hat die schnelle Vermietung für einen Entwickler Vorrang vor einem langfristigen Aufbau der Marke, bei dem evtl. Kompromisse bei der Mieterauswahl gemacht werden müssten.
Anders verhält es sich bei nutzerspezifischen Projektentwicklungen, bei denen sich ein potentieller Nutzer bereits in der Planungsphase sehr stark einbringt. Ein gutes Beispiel ist der jüngst erstellte „TOUR TOTAL“ am Hauptbahnhof in Berlin. Als erstes Gebäude im neuen Quartier Europacity ist es mit seinen 70 Metern Höhe ein weithin sichtbares Landmark. Der Berliner Kurier titelte jüngst: „Weisser Riese, Total schön: Berlin hat ein neues Wahrzeichen.“
Aber nicht nur seine Höhe macht es für Berlin besonders. Im Sommer 2008 begannen für Total Deutschland die Überlegungen für eine Konsolidierung der Standorte in Deutschland, eine neue Wasserstofftankstelle und eine neue Arbeitswelt (s. Artikel „TOUR TOTAL – Einzug in die neue Arbeitswelt“). Ein tiefgreifender Prozess involvierte über 10 % bzw. 50 Mitarbeiter in unterschiedlichen Arbeitsgruppen: Von A wie Arbeitsplatz über K wie Kommunikation bis Z wie Zentralisierung. In diesem Zuge ist neben den Anforderungen auch der Name TOUR TOTAL für das Gebäude von den Mitarbeitern vorgeschlagen und gewählt worden.
Seit Mietvertragsunterzeichnung im Mai 2009 ist der Name in der internen und externen Kommunikation verwendet worden. Die frühe Namensbildung, eine besondere Architektur und der tiefgreifende Prozess haben das Gebäude nicht nur in der Fachwelt bekanntgemacht. Am 11. Oktober 2012 kamen über 3.000 interessierte Berliner zum Tag der offenen Tür und konnten sich ein Bild vom neuen Gebäude und der Arbeitswelt machen.
Eine spezifische Nutzeranalyse, die konkrete Einbeziehung der Nutzer und ein gezieltes Marketing (vgl. Artikel Immobilienmarketing – was kann Guerilla-Marketing?) sind der Schlüssel für eine Markenimmobilie. Diese darf gerne auch wieder einen stärkeren Wiedererkennungswert haben als die Standard-Investorenimmobilie. Und damit schließt sich auch wieder der Kreis zu höheren Mieten,Renditen und Verkaufspreisen…