Nutzerzufriedenheit in der Immobilienbewertung
24. März 2012 von Dr. Roman Wagner - Dr. Wagner & Partner
Als Reaktion auf das sich verändernde gesellschaftliche Umfeld wächst aktuell die Nachfrage nach ressourcenschonenden, gesundheitsgerechten und gestalterisch hochwertigen Immobilien, sogenannten Green Buildings.
Die wachsende Nachfrage und der unbestrittene Zusammenhang einzelner Aspekte der Nachhaltigkeit auf den Wert einer Immobilie führt zu einem Handlungsbedarf auf die Wertermittlung. Derzeit nicht oder nur unzureichend berücksichtigt sind die folgenden Fragestellungen:
- Wie sind diese Merkmale zu definieren und zu gewichten?
- Wie lassen sich diese in die Wertermittlung integrieren?
- Welche Hilfsmittel stehen dem Sachverständigen in Zukunft zur Verfügung?
- Wie können Sachverständige entsprechend geschult werden?
Der Wert von Immobilien wird klassischerweise durch Faktoren bestimmt wie Standort-, Grundstücks- und Gebäudemerkmale, das Marktumfeld und letztlich durch die Wertvorstellungen beteiligter Akteure. Bisher nicht berücksichtigt wurden die Mieter, welche die Immobilien jahrelang nutzen und daher gut kennen. Warum aber fließt dieses Wissen nicht in die Wertermittlung ein, obwohl es eine große Chance ist, die Zufriedenheit der Nutzer in die Bewertung mit einfließen zu lassen.
Mit Blick auf den Stand der Forschung fallem vor allem internationale Studien auf: Sie untersuchen den Einfluss der Nachhaltigkeitsaspekte amerikanischer Label auf die Zahlungsbereitschaft bei Transaktionen und Mieten. Es zeigt sich eine durchgängig positive Wirkung auf die Preise. Die im Vergleich zu den Mieten deutlich höheren Transaktionspreise scheinen dabei eine Wette auf die Zukunft zu sein. Aber sind diese Studien auch auf Deutschland anwendbar und mit Erkenntnissen vergleichbar?
In Deutschland haben wir noch eine sehr dünne Datenbasis (s. auch aktuelle Forschungsergebnisse von Lützkendorf & Lorenz). Mit dem deutschen Label DGNB sind erst 285 Gebäude zertifiziert und 230 angemeldet. Dazu kommen noch eine Handvoll nach LEED und BREEAM zertifizierte Objekte. Und das bei einem Immobilienbestand von ca. 17 Millionen Gebäuden in Deutschland. Da kann man nur schwerlich von einer „grünen Welle“ sprechen.
Aber gerade die höheren Mieten und höheren Transaktionen sind die Hoffnung aller Akteure in der Immobilienbranche. Denn für die Modellierung des Cash-flows sind das die entscheidenden Aspekte. Glaubt man den Stimmen der Teilnehmer auf der Green Building Summit 2012 vergangene Woche in Berlin, so nimmt das Gros der Nutzer gerne die Vorteile eines Green Buildings wie Energie- und Wassereffizienz mit, ist aber nur bedingt zu höheren Nettokaltmieten bereit. Darin waren sich Projektentwickler wie Investoren bislang einig. Zwei Fragen, die sich für mich auf dieser Konferenz ergeben haben:
- Warum sind keine großen Nutzer auf der Konferenz vertreten, sondern nur Projektentwickler, Investoren, Ingenieure und Architekten?
- Wie kann der Nutzer aber überzeugt werden und unter welchen Umständen ist dieser bereit, höhere Mieten zu zahlen?
Quelle: eigene Darstellung
Meine Hypothese ist, das die Nutzerzufriedenheit einen nachweisbaren, positiven Einfluss auf die Produktivität der Mitarbeiter in Unternehmen hat. Eine nachhaltige Immobilie trägt daher direkt zum Unternehmenserfolg des Nutzers bei. Und erst mit dieser Erkenntnis ist ein Nutzer bereit, höhere Mieten zu bezahlen. Denn die Flächenkosten machen im Vergleich zu den Personalkosten über 10 Jahre gerechnet nur einen Anteil von 5-8 % aus. Die Personalkosten sind mit über 80 % ein viel größerer Hebel, an den wir ansetzen müssen. Ein Dax-Manager hat es in einem Interview einmal treffen ausgedrückt: „Wenn meine Mitarbeiter aufgrund Ihrer neuen Arbeitswelt auch nur 1% produktiver sind, kann ich mir soviel Fläche leisten, wie ich will!“
Genau das ist aus meiner Sicht der Schlüssel zum Erfolg: Wohlbefinden und Zufriedenheit der Nutzer führen zu einer höheren Produktivität. Erst mit der Einsicht, dass die Immobilie direkt auf den Unternehmenserfolg einzahlt, wird der Nutzer bereit sein auch höhere Mieten zu zahlen.
Einige Studien weisen bereits auf den Einfluss der Arbeitsumgebung auf die Zufriedenheit und Leistung der Mitarbeiter hin (s. Artikel Begegnungsqualität in Bürogebäuden). Es ist aber noch ein weiter Weg für die Forschung, die Ergebnisse vergleich- und wiederholbar zu machen. Ebenso fehlt es an einer detaillierteren Datenbasis nachhaltiger Immobilien in Deutschland, um diese in die Wertermittlung zu integrieren. Es ist also noch viel zu tun für alle Akteuere – vergesst aber den Nutzer nicht!